Egon Eiermann gilt als einer der bedeutendsten Architekten und Möbeldesigner der Nachkriegszeit in Deutschland. Als einer der Ersten beginnt er mit der Konzeption von Serienmöbeln, die internationale Maßstäbe an Funktionalität und Form erfüllen und die stilprägend für eine ganze Generation sind. Seine Bauten sind berühmt und seine zahlreichen Möbel werden teilweise heute noch produziert.
Der Volksmund nennt es liebevoll „Lippenstift und Puderdose“, die Denkmalpflege eine „Stadtikone“, er selbst nennt es sein Lebenswerk. Die Rede ist vom architektonischen Ensemble der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin, jene im Verfall begriffene Kriegsruine im Stil der Neoromanik, der Egon Eiermann die Moderne zur Seite stellte. Der Architekt hatte wenig übrig für das Konservieren des Alten, vielmehr setzte er auf die konsequente Weiterentwicklung des Bekannten. Im Vordergrund seiner Entwürfe standen Funktionalität und Sachlichkeit, Transparenz und die Reduktion auf klare Linien. Im eigenen Tun wie in seiner Rolle als Professor an der TH Karlsruhe trieb er die Entwicklung der Moderne voran. Weg vom historischen Ballast, hin zur Leichtigkeit.
Das bewusste Reduzieren, das Weglassen, das Vereinfachen hat eine tiefe ethische Grundlage: Nie kann etwas zuwider sein, was einfach ist.
Ausdruck und Zuspitzung dieser Befreiung von allem Gewesenen sind die Stahlkonstruktionen, welche Egon Eiermanns Arbeiten bestimmten – in der Architektur wie der Möbelgestaltung. Mit seinen Entwürfen knüpfte er an die Gestaltungsprinzipien des Bauhauses an. Durchlässigkeit, das Ineinandergreifen von Innen und Außen, Natur und gebautem Raum wurde zum Ausdruck der Demokratie in Architektur wie Möbeldesign. Mit seiner Reduktion auf die Linie, der Besinnung auf die pure Form und der Befreiung von überbordendem Beiwerk, allem Schweren und Hinzugestellten, erreicht Eiermann in seinen Entwürfen eine Bescheidenheit, die seine Objekte aus historischen Zusammenhängen zu befreien scheint und sie doch als konsequente Fortführung des Bisherigen zeigt.
Trotzdem oder gerade deswegen zeichnet die Werke eine Zeitlosigkeit aus. Nicht verwunderlich also, dass seine Bauten unter Denkmalschutz stehen, seine Schreibtische und Stühle sich bis heute großer Beliebtheit erfreuen und in vielen öffentlichen Gebäuden, modernen Agenturen wie Privaträumen finden. Zu den nach wie vor begeisternden Produkten gehört zweifelsohne auch der Deckenstrahler von 1957. Speziell für den von Egon Eiermann und Sepp Ruf geschaffenen Weltausstellungspavillon in Brüssel entworfen und eigentlich in Kleinserie hergestellt, erfreute sich der ES 57 bald großer Beliebtheit.
1954 war Egon Eiermann nach Italien gereist, um den Aufbau der Mailänder Triennale zu übernehmen. Möglich, dass ihn hier Gino Sarfatti inspirierte, dessen Leuchten, filigran und funktional zugleich, Skulpturen gleich, das Licht selbst in Szene setzen. Möglich aber auch, dass die Konstruktion des Pavillons mit seinen ineinandergeschobenen Kuben, der Durchdringung von Außenraum und Innenwelten, der sich kreuzenden Linien und maximalen Transparenz in diesem Strahler ihre Kulmination findet.
Vielleicht aber sind es auch die Einflüsse aus all seinen Begegnungen mit Architekten der vorangegangenen Generation, mit Walter Gropius, Marcel Breuer oder Ludwig Mies van der Rohe. Vielleicht die Auseinandersetzung mit den Ideen und Idealen des Bauhauses, die über die Grenzen der Architektur hinausreichende Gestaltung. Vielleicht der Gedanke, die Funktionalität in den Fokus der Gestaltung zu rücken. Möglicherweise haben seine Auseinandersetzung mit den internationalen Entwicklungen und seine Reisen in die Vereinigten Staaten zur Handschrift des Deutschen beigetragen. Und vielleicht ist es eine Mischung aus all diesen Aspekten. Die Deckenleuchte ES 27 jedenfalls begeistert auch sechzig Jahre nach ihrem Entwurf durch ihr feines, fragiles Erscheinungsbild.
Durch den Verzicht auf alles Ausschmückende, ihre Reduktion auf Funktionalität, die ihr fast etwas Skulpturales verleiht. Egon Eiermann freilich würde es womöglich weniger begeistern, ein Objekt von solcher Langlebigkeit geschaffen zu haben. Und vielleicht wäre er mit den seine Bauwerke rund um die Gedächtniskirche umgebenden Baugerüsten zur Rettung der Substanz nicht eben einverstanden. Stattdessen hätte er vielleicht lieber etwas Neues entworfen. Ein neues Gebäude, neue Möbel, eine neue Leuchte … Aber, wenn es auch vor langer Zeit erdacht wurde – schön ist es immer noch.