„Leuchte! Designikone im Licht der Kunst“

„Die kann man nicht besser machen“, stellte Dieter Roth fest, als Walter Schnepel ihm eine WA 24 überreichte, „…aber eine Lampe kann man immer gebrauchen.“ 1995 war das.

Worum also ging es Walter Schnepel, als er die WA 24 an Dieter Roth und im Laufe der kommenden Jahre an 31 weitere Künstlerinnen und Künstler verteilte? Es geht nicht, wie Peter Friese klarstellt, um eine „aufs Neue zu untersuchende Nähe oder gar Deckungsgleichheit von Kunst und Design“. Und – man möchte fast sagen: unnötig hinzuzufügen – auch nicht um eine Rangliste. Nein, es geht um etwas anderes. Es geht um die Designikone als „Gegenstand künstlerischen Interesses“, um die „Eröffnung und Erörterung eines Experimentierfeldes“, es geht darum, „mit den Mitteln der Kunst ein herausragendes Designprodukt auf eine andere, traditionsgemäß eher der Kunst vorbehaltene Reflexionsebene ästhetischer Betrachtung zu heben“.

Mit anderen Worten: 31 Künstlerinnen und Künstlern lieferte Walter Schnepel eine WA 24 und erhielt Retour je ein Kunstwerk.

31 individuelle Auseinandersetzungen mit einem Gegenstand. Überarbeitet, kommentiert, uminterpretiert, verfremdet, mal ironisch, mal wertschätzend, mal grotesk. Innerhalb von zwanzig Jahren entstand eine vielfältige Werksammlung, ausgehend von einem als idealtypisch und in seiner Formvollendung nicht zu übertreffenden Werkstück. Jochen Fischer beispielsweise umflicht die Leuchte vollständig mit Weiden, lässt die Ikone damit scheinbar komplett verschwinden – nicht ohne ihre Erscheinung durch ein sinnliches Lichtspiel wieder in Erscheinung treten zu lassen. Fritz Schwegler setzt der Wagenfeld-Leuchte auf humorvolle Art eine Narrenkappe auf. und Susanne Windelen spachtelt die perfekte Glätte der Leuchte mit weißem Kunststoffharz über, mischt die Masse mit fluoriszierenden Partikeln – und stellt so auf ihre Weise das Leuchten der Leuchte in den Mittelpunkt.

Eine kunstgeschichtliche Umordnung nimmt Aldo Mondino vor, behängt zwei Bauhaus-Leuchten mit Kugelschreibern und nennt sein Werk „Jugend-stilo“. Daniel Spörri hingegen löst die Lampenschirme und deutet die Glashauben in seiner Schwarz-Weiß-Fotografie um – Lustobjekt statt Luxusgut. Entstanden sind also vor allem Werkstücke, die Grenzen und Tabus überschreiten, die jene Gesetzmäßigkeiten des Schönen und Funktionalen in Frage stellen und dem Statischen eine Dynamik gegenüberstellen – eine Idee, die vor allem auch der Fluxus-Bewegung innewohnt. Und Dieter Roth? Er stellte seine WA 24 schließlich auf die BAR no.1., setzte ihr eine Baskenmütze auf und goss rote Farbe darüber.

In seinem der steten Veränderung unterworfenen Werk setzt er damit einen Kontrapunkt zur zeitlosen Qualität der Bauhaus-Leuchte. Veränderung und Widerborstigkeit statt Gleichheit und Perfektion. Vor allem aber erhält die Bauhaus-Leuchte in allen ihren Überformungen, als Folge aller Ein- und Übergriffe eine ihre Funktion und Schönheit erweiternde symbolische Bedeutung, wird zum „Objekt plus y“.

Die Sammlung wurde bereits gezeigt in:
Neues Museum Weserburg, Bremen
Kunstverein, Plön
Kiszelli Museum, Budapest

Ab Juni 2019
Im „Centrul de Interes“
Cluj-Napoca, Klausenburg,
Rumänien

Interpretation von Aldo Mondino, Jugend-stilo, 1995
Interpretation von Susanne Windelen, 1998