Das Zuhause von Kirsten bevölkert eine Vielzahl von Büchern – was nicht erstaunt, bestimmt Geschriebenes doch den Arbeitsalltag der Germanistin. Doch Sprache sind nicht die einzige Leidenschaft der Düsseldorferin. Alltagstauglich, luftig-leicht und wenig Platz einnehmend – solches Design liebt sie.
Architektur, Kunst und Design – als Kirsten 1992 in der Buchhandlung Walther König zu arbeiten begann, fand sie alles versammelt, was sie begeisterte. Und sie staunte, wie viele Themen in den Regalen zu finden waren. Ein Buch hatte es ihr besonders angetan: Thomas Heydens „Die Bauhauslampe“, gerade druckfrisch erschienen. „Dass sich über eine einzige Lampe ein ganzes Buch schreiben lässt, konnte ich kaum glauben!“, erzählt sie heute lachend. Es war eine Erleuchtung, im doppelten Sinne. „Inhalte werden durch Material und Proportionen zum Ausdruck gebracht und in Funktion übersetzt. Nach dem Lesen verstand ich plötzlich, was Design tatsächlich leistet.“ Hier in Form der Leuchte von Wilhelm Wagenfeld. „Sie kommuniziert die damalige Haltung zur Elektrizität, eine neue Errungenschaft, die zum Zeitpunkt ihrer Entstehung Anfang der 1920er-Jahre noch nicht lange den Alltag der Menschen begleitete. Das sichtbare Kabel erzählt von dieser neuen Welt.“
Diese Entdeckung ließ Kirsten nicht mehr los. Sie wünschte sich die Bauhauslampe zur Hochzeit – und seitdem hat sie ihren festen Platz im Wohnzimmer. Dabei ist sie nicht einfach eine Lichtquelle von vielen, sondern Design mit Bedeutung. Die Wagenfeld-Leuchte strahle, aber blende nicht, und das warme Licht betone zugleich ihre zeitlos schöne Form, schwärmt die Lektorin. „Im Gegensatz zu meinen zwei punktuell lichtgebenden Arbeitslampen verteilt sie ihr Licht stolz und selbstbewusst in alle Richtungen.“ Das Licht der Bauhauslampe bewirke keine konzentrierte Heimeligkeit, sondern eine umarmende Beleuchtung des Raumes: „Es wird rundum hell, wenn man sie einschaltet.“ Licht spielt in ihrem Leben eine wichtige Rolle. „Nach Hause kommen und das Licht einschalten bedeutet Wohnlichkeit und Wärme. Helligkeit trägt zum Wohlbefinden bei – egal ob es sich um Sonnenlicht handelt oder elektrisch erzeugtes Leuchten.“
„Was mich umgibt, ist mir essenziell wichtig.“
So wichtig wie Licht ist für ihr Zuhause Design. Kirsten wohnt zwischen Eiermann-Schreibtisch und -Arbeitsstuhl, Eames-Schaukelstuhl, dem Tisch-Hocker von Marcel Breuer und verschiedenen MAGAZIN-Entwürfen. Aber nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: „Design kennt bei mir Grenzen. Hier wird nichts dekoriert, sondern alles benutzt. Hätte ich die Teekanne von Marianne Brandt, würde sie mit Teeflecken auf dem Tisch stehen und nicht zum Anschauen als Sammlerstück in der Vitrine verstauben.“ Die Wohnung ist kein Museum, sie ist belebter Raum: „Da müssen auch mal Socken auf dem Boden herumliegen dürfen. Man muss atmen können.“ Der Germanistin geht es um Sprache, um Inhalte. „Das ist auch beim Design so.“
Zu einem Zuhause gehören für sie neben Möbeln und Büchern vor allem Bilder. „Auf die freue ich mich immer am meisten, wenn ich nach Hause komme.“ Im Lager der
Buchhandlung hatte sie damals Kunstplakate gefunden – eines hängt bis heute im Schlafzimmer: „Learn to read Art“ von Lawrence Weiner. „Ich liebe es seitdem.“
Ihre Designaffinität bringt Kirsten aus ihrem Elternhaus mit. „Ich bin zwischen 1960er-Jahre-Möbeln aufgewachsen, die heute wieder angesagt sind. Anfang der 70er verabschiedete sich meine Mutter pünktlich von diesem Stil, brachte Couch und Sessel zum Polsterer, um sie mit braunem Cord beziehen zu lassen, und gestaltete die Küche komplett neu in Orange. Unsere 1969 gerade auf den Markt gekommenen Küchenstühle sind inzwischen Designklassiker.“ Die Tochter hält es ebenso. Gute Dinge haben bei ihr Bestand. „Ich lasse Stühle mal neu lackieren, aber austauschen tue ich sie nicht, solange sie noch schön sind!“
Aber natürlich hält sie auch gerne nach neuen Ideen Ausschau. Neben dem klassischen Design inspirieren sie Einrichtungshäuser wie das MAGAZIN oder Hersteller wie HAY oder muuto. Aktuelles Design allerdings enttäusche sie auch immer mal wieder. „Der Lack blättert von der formschönen Thermoskanne oder die Flöte am Wasserkessel wird so heiß, dass ich sie gar nicht mehr aufstecke. Da frage man sich schon, ob Design heute noch so akribisch entsteht wie zu Wagenfelds Zeit.“
„Beständigkeit und neue Impulse – beides ist wichtig.“