Vielleicht war es die unmittelbare Nähe zum von Walter Gropius entworfenen Fagus-Werk in seiner Geburtsstadt Alfeld. Vielleicht auch die Ausbildung beim Drogisten Wittekop. Oder waren es einfach die Zufälle des Lebens und das Glück der Zeit? Was immer Hartmut Dörrie zu dem gemacht hat, was er heute ist – sein genauer Blick ist sicher die Basis seines Erfolges.
Mit seinen 80 Jahren gehört Hartmut Dörrie zur alten Garde und er weiß: Das schätzen die Händler. Bis heute brauche er den Stallgeruch und die Ansprache. „Und solange keiner sagt: 'Opa, bleib Zuhause und füttere die Möwen am Neckar', mache ich weiter.“
Seit 2003 ist der freie Handelsvertreter für TECNOLUMEN und TECNOLINE tätig und auch nach fünfzehn Jahren begeistert wie eh und jeh. „Es ist das Sahnehäubchen auf meinem Berufsleben!“, schwärmt er. Dabei war der Wechsel damals kein einfacher, erinnert er sich. „Ich kam aus einem Großkonzern. Dann war ich auf einmal in einem Familienunternehmen. Alles, was vorher galt, galt hier plötzlich nicht mehr.“ Schlimm war das freilich nicht. „Die Stimmung kommt immer von oben.“ Und die sei mit Walter Schnepel und Carsten Hotzan hervorragend. Ihm habe nichts Besseres passieren können, als hier anzuheuern.
Tolle Produkte, tolle Mitarbeiter*innen, gradlinig und ganz ehrlich. „Bei Reklamationen wird hier nicht lang diskutiert, sondern das wird großzügig geregelt. Das schätzen die Kunden sehr.“ Es klingt ein bisschen stolz. Und er liebt die Herausforderung. „TECNOLUMEN und TECNOLINE sind zwei hoch kulturelle Unternehmen.“
Die zwei Märkte zusammenzubringen, die es nicht leicht haben miteinander, sei nicht so einfach. Vor allem für TECNOLINE sei im Bereich Türdrücker, Fenstergriffe und Beschläge eine andere Vorgehensweise gefragt. „In diesem Markt geht es um Technik, nicht um Kultur. Der Beschlaghandel tut sich schwer, unsere Produkte zu verstehen.“ Aber Hartmut Dörrie erklärt sie gerne. „Gropius, Wagenfeld, Kramer – ich bin ein großer Fan dieser Klassiker und ein begeisterter Klinkenputzer, im besten Sinne des Wortes“, betont er und lacht.
Dabei hätte sein Berufsleben auch ganz anders verlaufen können. Nach seiner Ausbildung arbeitete Hartmut Dörrie für 3M und Koss. Und auch privat hatte er sich ganz seiner Leidenschaft, der Fotografie, verschrieben. Mit dreiundzwanzig schoss er erste Fotos im Bereich Motorsport – und machte das so gut, dass er als offizieller Fotograf der Hockenheimring GmbH Rennen und Veranstaltungen in mehr als 50 Jahren ablichtete. Ein Anfang.
Es folgten die Olympiade in München, die Fußballweltmeisterschaft, mit den Jahren Aufträge für Skirennen, Eishockey und die Bob-Nationalmannschaft. Neben dem Sport mit seiner Geschwindigkeit entdeckte Hartmut Dörrie die Musik, insbesondere den Jazz mit seiner emotionalen Kraft. Er fotografierte John Coltrane, Dizzy Gillespie, aber auch die Rolling Stones und Michael Jackson. Schnell avancierte er mit seinem Gespür für den entscheidenden Moment zum vielgebuchten Fotografen. „Ich kam an alle Leute ran mit der Kamera!“ Allein, es blieb sein Hobby.
Denn seine zweite Leidenschaft gehörte schon damals dem Design. „Wir haben mehrere Wagenfeld- Leuchten zu Hause“, sagt Hartmut Dörrie schmunzelnd. „Alle in der Familie haben wir welche.“ Die erste habe er 1984 bei TECNOLUMEN zusammen mit seiner Frau gekauft. Im Jahr zuvor war er als Vertriebsdirektor zum amerikanischen Möbelhersteller Knoll International gewechselt und brachte fortan hochwertige Möbel in den Markt.
Hier begegnete er Klassikern des Bauhauses, Entwürfen der Architekten Mies van der Rohe und Marcel Breuer, die ihn begeisterten und nicht mehr loslassen sollten. Fast zwingend erscheint rückblickend der Wechsel zu L. & C. Arnold Stendal GmbH, ein Unternehmen, welches bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren eine enge Zusammenarbeit mit dem Bauhaus verband. Heinz und Bodo Rasch, Mart Stam, wieder Mies van der Rohe und wieder auch Marcel Breuer, sie alle finden sich in der Unternehmensgeschichte mit ihren Stahlrohrmöbeln. Und Hartmut Dörrie stellte ihnen einen weiteren Designer aus der Zeit des Bauhauses zur Seite. Im Keller des Bauhauses Dessau entdeckte er einen Stuhl des Architekten Carl Fieger. Das Traditionsunternehmen nahm diesen unter der Federführung Dörries ins Programm.
Er lebt und liebt das Bauhaus. Neben dem Vertrieb der Möbel dieser Zeit lag Dörrie daher auch immer das Bewahren dieser Klassiker am Herzen. „Firmen, die Bauhaus-Möbel herstellten, haben jahrelang sehr gute Geschäfte mit dem Namen ‚Bauhaus’ gemacht. Deshalb war es für mich an der Zeit, dem Bauhaus etwas zurückzugeben.“ Als Vertriebsdirektor des Unternehmens Knoll International veranlasste er die kostenlose Übergabe von Möbeln im Wert von 100.000 D-Mark an das im Wiederaufbau befindlichen Bauhaus in Dessau und sorgte außerdem dafür, dass die rekonstruierte Bauhaus- Mensa mit Breuer-Hockern ausgestattet wurde – eine Schenkung der Firma L. & C. Arnold Stendal GmbH.
Als das Fagus-Werk in Dörries Heimatstadt zum UNESCOWelt- kulturerbe erklärt wurde, ließ sich der umtriebige Vertriebler diese Gelegenheit nicht entgehen. Im September 2014 eröffnete Hartmut Dörrie hier die von ihm initiierte und konzipierte Ausstellung „Mit dem Bauhaus wohnen“ – und erfüllte sich damit einen Traum. Gezeigt wurden Fotos aus der Sammlung des Bauhaus-Archivs sowie Bauhausklassiker aus dem Programm der Unternehmen TECNOLUMEN und TECNOLINE.
Bis heute ist die Begeisterung für das Bauhaus, seine Form- und Gestaltungsgeschichte, für seine Architektur, sein Design und insbesondere seine kunsthandwerklichen Gebrauchsgegenstände ungebrochen. „Ich bin glücklich, dass ich ‚100 Jahre Bauhaus‘ in meinem Berufsleben bei TECNOLUMEN und TECNOLINE noch erleben durfte“ Und wie steht es dann mit dem Aufhören? „Um Gottes Willen! Das können Sie meiner Frau nicht antun“, sagt er lachend – und meint sicherlich auch ein bisschen sich selbst.